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Pogradec, 20 Juni 09

Grußwort anlässlich der Eröffnung des „Europa Boulevards-100 Schritte nach Europa“ in

Was ist Europa heute, abseits des rein geografischen Begriffs, philosophisch betrachtet? Es kommt auf den Blickwinkel an, und der hängt vom Standpunkt ab, und zwar im wörtlichen, örtlichen Sinn.
Für viele Menschen des "alten" Europas – ich meine damit in erster Linie die 15 alten EU-Mitgliedsländer vor den letzten beiden Erweiterungswellen 2004 und 2007 – ist Europa heute leider in erster Linie ein amorphes Konstrukt ohne erkennbaren Sinn, aber bestens dafür geeignet, Urteile und Vorurteile darauf zu projizieren. Die EU wird sehr oft auf die Basisfunktion eines rein wirtschaftlichen Zusammenschlusses reduziert. Sie war aber immer viel mehr – ein grenz- und generationenübergreifendes Projekt zur Sicherung der wirtschaftlichen und sozialen Stabilität. Europa ist in seiner philosophischen, räumlichen und zeitlichen Dimension ein einzigartiges Vorhaben zum friedlichen Zusammenleben an sich grundverschiedener – und nicht immer gemeinsame Ziele verfolgender – Nationen.

Diese Menschen übersehen, dass wir alle Europa sind. Europa kann nur bewegen und bewegt werden, wenn wir alle daran arbeiten. Und nur wenn wir alle daran arbeiten, können wir uns letztendlich damit identifizieren und andere für die Idee begeistern. Das Arbeiten an der Idee Europa ist auch für den einzelnen Bürger leicht: Es beginnt damit, zur Wahl zu gehen. Leider nehmen allzu viele Menschen dieses Recht nicht wahr, wie die kürzlich abgehaltene Wahl zum Europaparlament belegt.

Es ist insofern zwar nicht verwunderlich, aber dennoch höchst erfreulich, dass gerade in den Staaten, die dieser Gemeinschaft noch nicht angehören, für die eine Mitgliedschaft aus gutem Grund höchste Priorität hat, immer wieder kulturelle Initiativen entstehen, die ihren Bürgern die Idee Europa näherbringen. Und indem sie das tun, führen sie auch ihren Nachbarn die Werte der Union erneut vor Augen. Dafür müssen wir dankbar sein, denn viele von uns kennen und schätzen diese Werte nicht oder nicht mehr. Aus genau diesem Grund unterstützt Raiffeisen den "Europe Boulevard" in Pogradec.

Diese Initiativen sind gerade jetzt von großer Bedeutung, da wir durch die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise an einem entscheidenden Punkt für die weitere Entwicklung der EU stehen. Die EU und viele andere Länder und Institutionen haben jahrelang viel Kraft und letztlich auch viel Geld in das Projekt eines gemeinsamen und wirtschaftlich stabilen Europas investiert. Es geht nun darum, dass dieses Projekt abgesichert wird, dass Osteuropa nicht allein gelassen wird. Viele Staaten der Region sind wirtschaftlich noch zu schwach, um einen durch diese Krise erlittenen beträchtlichen Rückschlag abwenden zu können. Wir müssen mit allen Kräften vermeiden, dass wir zu einem Europa der zwei Geschwindigkeiten kommen. Vor allem die Staaten des Balkans, die teilweise noch nicht Mitglied dieser EU sind, haben viel Kraft und Energie in ihre erfolgreiche Transformation gesteckt. Sie haben es sich verdient, auf ihrem weiteren Weg von der EU unterstützt zu werden.

Das Projekt "Europe Boulevard" ist in diesem Sinn besonders gut gelungen. Ich danke den Organisatoren des Projektes in Albanien und Österreich für ihre Ideen und ihr Engagement! Sie leisten nicht nur einen wertvollen Beitrag zum Heranführen Albaniens an die EU, sie unterstreichen auch die Wichtigkeit internationaler Privatinitiativen. Die erfolgreiche Abwicklung derartiger Projekte bereitet den Boden auf für immer größere Vorhaben kultureller, sozialer und wirtschaftlicher Natur und leistet somit einen entscheidenden Beitrag sowohl für die räumliche Erweiterung als auch das geistige Zusammenwachsen der EU.

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